Je tiefer ich in die Materie eintauche, desto größer wird mein Erstaunen. Wie kann das nur alles funktionieren?
Wir haben uns am letzten Wochenende mit Biomechanik und funktioneller Anatomie befasst. Dabei ging es richtig in die Tiefe. Wir haben die Zellen regelrecht in die Mangel genommen, um hinter die Geheimnisse zu kommen.
Wir sogar soweit gegangen, dass wir einen Wirbelsäulenquerschnitt geknetet haben. Man kann darüber denken, was man will, aber ich weiß jetzt genau, was sich da so rumtreibt. Auswendig lernen muss ich das nicht. Mein Körper hat’s ja schon erfahren.
Ich war mir nie wirklich bewusst, was ein Körper sozusagen vollautomatisch erledigt, ohne dass ich davon je etwas erfahre. Er braucht kein Rampenlicht. Er wirkt seine kleinen und großen Wunder im Verborgenen. Die Schaltzentrale Gehirn hat da einiges zu tun. Sie muss nicht nur die Standardprozesse beherrschen, sondern auch noch auf die vielen kleinen Variablen reagieren, die sich im Laufe des Tages so ergeben.
Ich musste noch nie durchzählen, ob meine roten Blutkörperchen für meine geplanten Aktivitäten ausreichen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich morgens im Bett liege und einen Check-Up mache, muss ich schmunzeln: „Es fehlen 50 rote Blutkörperchen, sonst wird das wieder nichts mit dem Training, und du fällst hechelnd um!“ OK, aber woher nehmen? Wer gibt mir diese Teilchen, und wie bekomme ich sie an Ort und Stelle? 😉
Mit diesen und noch vielen anderen Themen muss sich auch das Gehirn eines Pferdes herumschlagen. Dabei ist es äußerst effizient: Was nicht gebracht wird, wird stillgelegt. Was stark beansprucht wird, lässt das Gehirn verstärken. Wie sieht das aus? Besonders jetzt im Winter sieht man die Pferde teilweise regelrecht einfallen. Das liegt nicht nur an dem fehlenden frischen Grün, sondern zu einem großen Teil an der veränderten Trainingssituation. Die Dunkelheit erlaubt es oft nicht, mit dem Pferd nach draußen zu gehen. Hinzu kommen noch schlechte Bodenverhältnisse. Das Gehirn merkt jetzt: „Oh, die Hinterhand wird jetzt gar nicht gebraucht. Da mache ich mal Sparprogramm und baue außerdem mal ganz geschickt die Muskeln ab. Die gesparte Energie kann ich in die Wärmeversorgung stecken, Zittern kostet viel Energie.“ Wenn das Training im Frühjahr wieder anspruchsvoller wird, verstärkt sich die Versorgung der Muskeln, weil sie benutzt werden.
Auch die Veränderung der Futteraufnahme im Winter hat so ihre Tücken. Während die Pferde während der Weidesaison zupfen müssen, um ihre Mägen zu füllen, ziehen sie im Winter vorwiegend, denn das Heu befindet häufig sich in Raufen oder Heunetzen. Bei Heu handelt es sich außerdem um geschnittenes Gras. Das muss nicht mehr gezupft werden. 😉 Damit das Pferd auch im Winter diese Muskeln benutzt, kann man einfach mal spazieren gehen, die stille Winterwelt genießen und das Pferd zupfen lassen. Jetzt wacht das Gehirn auf, merkt, dass auch diese Muskeln gebracht werden und kümmert sich um sie. Da kann dann nichts verkümmern oder verkleben, um dass sich später ein Osteopath kümmern muss. 😉
Das ist phantastisch – oder wie eine Kommilitonin sagt: „Ist schon irre, was der Chef sich da ausgedacht hat!“
Mehr lernen