Schau dich um! Ist dir schon mal aufgefallen, dass neben den Menschen als einzige Tiere die Pferden mit „Schuhen“ versorgt werden? Obwohl das Pferd nur quasi auf unserem Mittelfinger läuft, ähneln sich die Mechanismen. Sowohl der Pferdehuf als auch unsere Mittelfußknochen haben die Aufgabe, unsere Schritte zu dämpfen. Das funktioniert nur, wenn Fuß und Huf genug Platz haben, sich auszubreiten.
Menschen und Pferde laufen natürlich barfuß und barhuf
Wie funktioniert Barfußgehen?
Die Natur hat uns mit einem wunderbaren Stoßdämpfer ausgerüstet. Er befindet sich hauptsächlich im Bereich des Mittelfußes. Ihr erinnert euch vielleicht an den Knochenkerl in der Schule: Der hatte in der Mitte des Fußes richtig lange Knochen. Zwischen diesen Knochen befinden sich Muskeln. Dieses Konstrukt nimmt den Stoß des Fußaufsetzens auf und leitet ihn ab. Wer schlau ist, nutzt diesen Stoßdämpfer. Bei kleinen Kindern, die Laufen lernen, kann man noch gut beobachten, dass sie mit dem Vorfuß aufsetzen. Sie lassen den Fuß fallen, er setzt auf, dämpft den Stoß ab. Erst danach bekommt die Ferse Kontakt zum Boden. Wenn wir allerdings Schuhe tragen, setzen wir mit der Ferse zuerst auf. Der Stoßdämpfer wird umgangen, eine Erschütterung geht durch den Körper. Probiere es einmal aus! Halte mit beiden Händen deine Ohren zu und gehe. Die Erschütterung, die du wahrnimmst, geht bis in die kleinste Zelle. Das ist Stress für unseren Körper.
Im Internet findet man viele Anleitungen, wie man natürliches Gehen lernen kann. Es gibt Barfußschulen, Videoanleitungen und Blogs. Und: Alles ist in dir! Dein Körper weiß, wie er richtig laufen muss. Du musst nur die Kontrolle abgeben. Meine älteren Enkelkindern, die schon so einige Schuhjahre auf dem Buckel hatten, konnten den natürlichen Gang ohne Internet lernen. Ich habe ihnen nur empfohlen, sich im Indianerschleichgang fortzubewegen. Sie wussten sofort, was zu tun war. Probiere es aus! Loslassen und schleichen. 😉
Fehlstellungen des Fußes und Schmerzen beim Gehen
Der ungesunde Fersengang wirkt sich auf den ganzen Körper aus. Muskeln werden anders belastet, als ursprünglich vorgesehen. Die Knochen stehen anders in den Gelenken. Es kommt dadurch zu Abnutzung, die häufig schmerzhaft ist. Dadurch mögen wir uns nicht so gern bewegen: Muskel werden abgebaut, der Körper hat Stress und lagert Fett ein. Jetzt wird eine Maschinerie in Gang gesetzt, die es in sich hat: Facharzt, Orthopädietechniker, Röntgen – egal, unser Gesundheitssystem hat viel zu bieten. Ich spreche aus Erfahrung. Fünfzehn Jahre lang hatte ich mit unklarem Rückenschmerz zu kämpfen. Ich habe Tae Kwon Do aufgegeben, weil meine Hüftgelenke ständig blockiert waren. Dann hat ein Orthopäde entdeckt, dass das Problem in einer Fehlstellung der Oberschenkel lag und sich deshalb zusätzlicher Knochen an der Kugel gebildet hat, um das Bein zu stabilisieren. Dieser Knochen hat aber Knorpel beschädigt. Ich wurde operiert und alles war gut. Zumindest eine Weile. Nach ein paar Monaten kehrten die Schmerzen zurück. Ich war verzweifelt und ließ mir Einlagen anpassen. Damit verstärkten sich die Schmerzen noch. Ich möchte gar nicht mehr gehen. Was nun? Dann hörte ich im Radio ein Interview mit einer Barfußläuferin und zog – mitten im Winter – meine Schuhe aus. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten. Anfänglich hatte ich an Stellen, an denen ich es nie vermutetet hätte, Muskelkater. Meine Füße waren immer zart, von Haut umhüllte Knochen. Jetzt wurden sie fleischig. Die Rückenschmerzen waren weg. Die Hüfte machte keine Probleme mehr. Heute bin ich mir sicher: Die Fehlstellung resultierte aus jahrzehntelanger falscher Beanspruchung meines Körpers. Auch die ewig kalten Füße sind Geschichte! 🙂
Hufeisen und Schuhe engen ein
Bei den Pferden verhält es sich ähnlich, wie bei uns Menschen. Was ursprünglich als Schutz für unsere Körper gedacht war, wendet sich gegen uns. Die Eisen, die dem Abrieb des Hufhorns verringern sollen, engen den Huf ein, so dass er sich beim Auffußen nicht richtig ausdehnen kann. Der Stoß rast durch den Körper. Hinzu kommt, dass in den Pferdehufen kleine Pumpen eingebaut sind, die das Pferdeherz bei seiner Arbeit unterstützen sollen. Das können sie aber nur, wenn ihnen das volle Bewegungspotential zur Verfügung steht. Wenn das Pferd Probleme mein Laufen hat, wird – wie bei uns Menschen – der bekannte Prozess in Gang gesetzt. Es gibt eine große Auswahl an therapeutischen Beschlägen, Pads, die den Stoß mildern sollen … Dabei geht es ganz einfach: Eisen weg, guter Hufschnitt und das Pferd erholt sich wieder.
Therapiehof Pferde mit Hufproblemen
Häufig werden wir zu Pferden gerufen, bei denen schon alles probiert wurde – quasi als letzte Hoffnung. Den meisten Pferden kann mit einem fachgerechten Schnitt der Hufe schnell geholfen werden. Manchmal muss der Schnitt in kleinen Schritten erfolgen, also innerhalb kurzer Zeit kleine Veränderungen am Huf gesetzt werden. Wenn die Pferde zu weit von uns entfernt stehen, können sie bei uns in Reha kommen. Die Pferde können in unserer Herde, die sie beschützt und unterstützt, gesund werden. Gibt es so ein Angebot nicht, müssen die Besitzer eine schwere Entscheidung treffen: Das Pferd mit Schmerzen weiterleben lassen oder es töten. Als Fluchttiere, sind für die Pferde ihre Hufe überlebenswichtig. Sie können sich nicht – wie wir Menschen – aufs Sofa setzen und sich das Essen servieren lassen.
Lernen, um den Pferden helfen zu können
Aus Erfahrung kenne ich das Gefühl, hilflos neben dem Therapeuten oder Schmied zu stehen. Deshalb habe ich begonnen zu lernen. Man muss kein Spezialist sein, aber bestimmte Grundlagen über die Funktion des Pferdekörpers und speziell der Hufe, sollte jeder Mensch, der mit Pferden zu tun hat, haben. In unseren verschiedenen Workshops wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern gleich verknüpft. Wir machen im Anatomiekurs viele Selbstversuche, um zu verstehen, wie ein Körper funktioniert. Auch im Hufkurs werden Theorie und Praxis miteinander verknüpft. Wer einmal eine Eckstrebe weggeschnitten hat, weiß um ihre Bedeutung und vergisst nie wieder zu schauen, ob sie vom Schmied korrekt bearbeitet wurde.