Zumindest hier im Norden Deutschlands hatten wir einen milden Winter. Bedingt durch die geringe Heuernte, standen viele Pferde noch im Dezember auf der Weide. Jetzt sprießt das Gras schon wieder. Die zusätzlich milden Temperaturen locken uns ins Freie und wecken den Wunsch, unseren Pferden das erste Grün zu gönnen. Also: Raus ins Grüne, aber unbedingt ein paar Regeln beachten. So bleiben die Pferde gesund und können zusammen mit uns den Frühling genießen.
Energiearmes Heu für Pferde
Pferde sind als Steppentiere darauf eingerichtet, sich von Gras mit geringem Energiegehalt zu ernähren. Deshalb sind sie auch etwa 18 bis 20 Stunden am Tag mit der Futtersuche befasst.
Viel Energie – wenig Volumen
Stell‘ dir diese Situation vor: Du isst immer Salatblätter. Die haben einen geringen Energiegehalt, aber ein großes Volumen. Du musst sehr viel davon essen, um satt zu werden und deinen Energiebedarf zu decken. Jetzt ändert sich das Nahrungsangebot. Du hast Brot zur Verfügung. Im Vergleich zum Salat müsstest zu also sehr viel weniger essen, um kraftvoll zu sein. Da du aber gewohnt bist, deinen Magen bis zu einem bestimmten Stand zu füllen, isst du weiter. Das Ergebnis: du nimmst zu.
Beim Pferd ist es noch etwas komplizierter, da es als Nahrungsspezialist nur energiearmes, ballaststoffreiches Futter gut verstoffwechseln kann. Wir Menschen sind da viel flexibler.
Fruktanbelastung im jungen Gras
Nachts ist es noch recht kalt, während am Tag – mit Hilfe der Sonne – die Temperaturen schon mal in den Bereich um 20 C kommen. Diese Temperaturschwankungen bereiten dem wachsenden Gras Stress. Dieser Stress entsteht, wenn das Gras seine Energie – das Fruktan – nicht umwandeln kann. Wenn der Halm also nicht wächst, weil es zu kalt ist, wird der Kraftstoff (Fruktan) nicht verbrannt. Frisst das Pferd zu große Mengen davon, kann es Verdauungsprobleme bekommen. Deshalb besonders bei einstelligen Temperaturen das Grasen vermeiden. Wenn um die Mittagszeit oder später die Temperaturen deutlich höher sind, darfst du mit deinem Pferd losgehen, damit es die ersten Halme fressen kann.
Zeit und Menge beim Anweiden
Während der kalten Jahreszeit bekommen die Pferde in unserer Region ballaststoffreiches, faseriges Futter. Idealerweise ist das mit Kräutern durchsetztes Heu. Im letzten Winter wurde aufgrund der Heuknappheit viel Stroh verfüttert oder auch Heulage. Immerhin besser, als zu verhungern. Alles in allem: Die Darmflora des Pferdes ist noch nicht auf frisches Futter eingestellt. Damit der Organismus nicht überfordert wird, empfiehlt es sich hier, behutsam vorzugehen.
Die Pferde sind gierig nach frischem Grün und möchten sich am liebsten den Bauch ganz vollschlagen. Das ist aber unbedingt zu vermei
den! Denn, wie schon gesagt, die Verdauung ist dafür noch nicht bereit. Sie muss sozusagen von Winter- auf Sommerbetrieb umstellen. Das dauert der Erfahrung nach mindestens 14 Tage. Wenn du die doppelte Zeit einplanst, bist du auf der sicheren Seite.
Die geringsten Probleme hast du, wenn du das Pferd erst auf das Gras loslässt, wenn dieses das Fruktan weitestgehend durch das Wachstum umgewandelt hat: wenn es Samen treibt.
Faustregel: Je höher das Gras, desto geringer der Fruktangehalt.
Fahrplan für das Anweiden
Bevor du mit deinem Pferd auf die Wiese gehst, sieh‘ zu, dass es sich den Bauch gut mit Heu füllt. Zum einen ist der Hunger gestillt, so dass es nur noch naschen mag. Zum anderen kann der Darm mit der ungewohnten Nahrung besser umgehen, da sie mit dem Heu vermischt ist und nur einen geringen Anteil des zu verdauenden Breis ausmacht.
Um dem Organismus des Pferdes die Chance zu geben, sich langsam auf die neue Situation einzustellen, kommst du an einer Planung nicht vorbei. Während der ersten Tage sollte die Weidezeit höchstens fünf Minuten dauern. Wenn das Pferd nach drei bis vier Tagen weiterhin keine Verdauungsprobleme hat, kannst du diese Zeit um fünf Minuten erhöhen. In diesem Rhythmus gehst du weiter, bis du bei etwa einer halben Stunden angelangt bist. Danach kannst die im 15-Minuten-Rhythmus bis zur gewünschten Zeit steigern.
Wenn sich das Wetter wieder ändert, und dein Pferd deshalb einige Tage nicht grasen kann: Beginne wieder von vorn. Gerade für empfindliche Pferde lege ich dir diese Regel ans Herz.
Kräuter sind eine Frühjahrskur für Pferde
Hast du schon mal beobachtet, dass Pferde die jungen Birkenblätter von den Bäumen zupfen? Birken reinigen das Blut, ebenso wie Brennnessel. Schau, dass du deinem Pferd auf eurem Spaziergang außer Gras noch viele Kräuter anbieten kannst. Du kannst dich darauf verlassen, dass es sich nur nimmt, was es braucht. Unsere Pferde haben im letzten Jahr Kahlschlag gemacht: Giersch, Gänseblümchen, Wilde Möhre, junge Himbeerzweige … Brennnessel beißen sie nicht ab. Schneide die Stengel. Nachdem sie etwas angetrocknet sind, machen sich die Pferde darüber her.
Fitness für die Genickmuskulatur
Grasen ist auch wieder Fitnesszeit. Während des Winters haben die Pferde bereits geschnittenes Futter erhalten. Das müssen sie ziehen. In der Natur läuft aber niemand herum und schneidet für die Pferde das Gras ab. Da müssen sie immer beißen. Sie trainieren damit also 18 –
20 Stunden lang die vielen kleinen Muskeln im Genickbereich. Diese Muskeln verspannen beim Reiten leicht. Deshalb gönne deinem Pferd nach dem Reiten eine Runde entspanntes Zupfen.
Warum das so ist, kannst du in unseren Kursen lernen.
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