Es ist so angenehm mit dem Hund an lockerer Leine spazieren zu gehen oder ihn ohne Leine über die Wiese tollen zu lassen. Aber viele Hunde laufen schlecht an der Leine. Ihre Menschen sind Anhängsel und werden von ihnen durch die Gegend gezogen. Dabei wollen wir doch den gemeinsamen Spaziergang genießen. Leinenführigkeit des Hundes ist immer wieder ein Problem, egal, wie lange wir einen Hund schon haben. Unsere Ängste machen sich mit uns auf den Weg, sie begleiten uns auf dem Spaziergang und verhindern so, dass der Hund entspannt an der Leine laufen kann. Ich erzähle Dir hier, wie ich unserem jungen Jagdhund beigebracht habe, nicht an der Leine zu ziehen. Das geht nämlich ganz einfach mit der Trust Technique®, die auf Vertrauen setzt statt auf Dominanz oder Druck.
Leinenführigkeit des Hundes
Der Hund muss sich erstmal daran gewöhnen, dass er mit einer Leine an seinen Menschen gebunden ist. Damit ist sein Bewegungsspielraum sehr eingeschränkt. Warum er immer wieder durch diese Verbindung gestoppt wird, versteht der junge Hund nicht. Er zieht, weil irgendwas sein Interesse geweckt hat. Da möchte er hin. Sein Anhängsel hat aber andere Pläne, möchte vielleicht weiter auf dem Weg gehen oder kann nicht erkennen, was den Hund gerade so brennend interessiert. Wie auch immer: Wir müssen ein Arrangement finden!
Laufen an lockerer Leine benötigt Ruhe
Unser Yonny – inzwischen sechs Monate alt – läuft wie ein alter Hase an der Leine. Er zottelt ganz entspannt neben Nelly her und schaut sich immer mal wieder nach mir um. Leinenführigkeit ist glücklicherweise nicht mehr das Problem. Das war vor einigen Wochen noch ganz anders. Der quirlige Welpe schien seine Energie immer auszupacken, wenn er an die Leine kam. Er freute sich auf den Spaziergang! Sein Energielevel stieg. Auf einer Skala von 1 – 10 stand er bei Sieben bis Acht. Das war eine ganze Menge, denn ab Acht können die Tiere nicht mehr zuhören. Sie sind im Tunnel und nehmen uns nicht mehr wahr. Ich musste also versuchen, dieses kleine Fellknäuel runterzuholen.
Ich begann mit dem Anleinen. Und hier half mir die Trust Technique® (TT) sehr, denn ich konnte mit ihr die Aufregung des kleinen Kerls soweit auflösen, dass ich ihn in Ruhe anleinen konnte. Das war nicht so entspannt, wie es inzwischen ist, aber er hüpfte nicht mehr ständig herum. Weiter ging es am Gartentor. Auch hier legten wir wieder eine Friedenspause ein: Die Hunde mussten sich dann setzen und ich wendete wieder die Methode an, um ihre Aufregung zu verringern. Sowie es für mich akzeptabel war, machten wir uns auf den Weg in den Wald. Gleiches Spiel wieder an der Straße. – Das kann schon ziemlich nerven, immer wieder anzuhalten und mit den Tieren mit der Trust Technique® zu arbeiten. Aber die Effekte treten schnell ein und rechtfertigen für mich jeden Aufwand. Während des Spaziergangs „vergaß“ Yonny anfangs, dass er nicht an der Leine ziehen soll. Also blieb ich wieder stehen und wendete die TT an. Sowie ich das Gefühl hatte, dass seine Aufregung einigermaßen gesunken war, ging es weiter. Sobald er wieder zog, blieb ich stehen und trustete mit ihm. Das war während der beiden ersten Spaziergänge wirklich mühselig, aber es zahlte sich aus. Mit Geduld und Frieden hat Yonny es gelernt, nicht mehr an der Leine zu ziehen.
Die Leine ist das physische Abbild unserer Beziehung
Nicht immer müssen Hunde angeleint sein. Gerade außerhalb der Brut- und Setzzeit dürfen sie in vielen Gegenden auch ohne Leine laufen. Aber nicht alle Hundemenschen trauen ihren Hunden hier über den Weg. Die Angst, dass der Hund seine eigenen Wege geht, ist ihnen bewusst. Das Problem ist nur, dass sie diese Reaktion geradezu herausfordern, wenn sie befürchten, dass der Hund sich absetzt. Warum ist das so? Wir teilen Gefühle! Die Emotionen, die wir gerade haben, spürt der Hund und spiegelt sie. So können wir schneller in eine Spirale der Angst geraten als wir „Moin“ sagen können. Deshalb muss der Hund zuerst lernen, an der lockeren Leine zu laufen und die Beziehung zum Menschen als angenehm zu empfinden.
Damit der Hund versteht, dass wir uns in einer Beziehung befinden, benutzen wir die Leine. Sie ist nicht dazu da, um den Hund festzuhalten. Die Leine stellt physisch unsere mentale Beziehung da. Mit dem Üben der Trust Technique® verringern wir also nicht nur seine Aufregung, sondern zeigen ihm auch, dass er Vertrauen zu uns haben kann. Das ist wie bei kleinen Kindern. Die laufen ihren Eltern hinterher, obwohl sie nicht physisch miteinander verbunden sind. Denn die Kinder wissen, dass sie bei ihren Eltern sicher sind. Sie haben Vertrauen.
Genauso ist es mit unseren Hunden. Wenn Yonny vor Aufregung mal wieder nicht schnell genug sein kann, stoppe ich ihn. Wir trusten und schwuppdiwupp legt sich mein kleiner Schieter ins Gras, den Kopf auf den Pfoten. Ich warte dann zwei bis drei Sekunden und fordere ihn auf weiterzugehen – ganz entspannt. Die Tiere lernen unheimlich schnell. Diese Erfahrung bleibt ihm. Dadurch, dass ich seine Aufregung nicht teile, sondern ganz friedlich bin, fasst er Vertrauen. Dadurch bildet sich eine mentale Verbindung, quasi eine unsichtbare Leine. Diese Leine kann ihre Länge beliebig verändern. Yonny und Nelly laufen meistens ohne Leine. Sie kommen, wenn wir sie rufen und achten auch darauf, dass sie uns immer sehen. So kann ich die Spaziergänge mit den beiden genießen und schaue auch gerne mal genauer hin, wenn sie zu zweit minutenlang an einer Pflanze schnüffeln.
Leinenführigkeit trainieren
Um ein gewünschtes Verhalten zu lernen, müssen die Tiere entspannt sein und Vertrauen in die Situation haben. Bei Nelly hat es früher ewig gedauert, wenn sie etwas Neues lernen sollte oder mit einer unbekannten Situation konfrontiert wurde. Inzwischen ist das ganz anders geworden. Sie schaut mich an, wenn sie vor einer neuen Herausforderung steht und schaut, wie ich mich verhalte. Ich bin ganz entspannt und ermuntere sie, sich zu trauen. Und das geht tatsächlich immer schneller. Inzwischen kann ich mit Nelly tatsächlich neues Verhalten üben. Dafür ist es aber unbedingt wichtig, dass der Hund keine Angst hat und seinem Menschen vertraut. Am Anfang unserer Beziehung sah das Spazierengehen so das, dass Nelly die gesamte Länge ihrer Leine genutzt hat, um von mir wegzukommen. Jetzt läuft sie ganz entspannt neben mir her, schaut zu mir hoch und lässt sich bestätigen, dass sie alles richtig macht.
Wenn ein Hund an der Leine zieht, auf andere Hunde zustürzt oder Passanten angeht, ist es immer wichtig, ihn erstmal von seiner Aufregung zu befreien. Erst wenn er wieder in einem Bereich deutlich unter Acht (Skala von 1 – 10) ist, kann er zuhören. Dahin bekommen wir ihn weder mit Druck noch mit irgendwelchen Dominanzspielen. Das einzige, was den Hund dazu bringt, friedlich zu sein ist, dass wir ihm Frieden bieten. Dass wir seine Aufregung nicht spiegeln, sondern sein Fels in der Brandung sind: „Alles ist gut, wenn ich dabei bin.“ „Du kannst dich entspannen, ich habe alles im Griff.“
Mein Hund soll neben mir laufen
Von der lockeren Leine bis zum Bei-Fuß-laufen ist es nur ein kleiner Schritt. Wenn wir erstmal die Grundlage – eine vertrauensvolle Beziehung – gelegt haben, ist der Rest ein Kinderspiel. Der Hund WILL bei uns sein. Der Hund WILL alles richtig machen. Wenn wir ihn also bitten, neben uns her zu laufen, wird er das tun. Das ist wirklich alles eine Frage der Ansprache und der Qualität unserer Beziehung. Warum sollte er von uns weglaufen, wenn wir ihm das bieten, was jedes Lebewesen braucht? Frieden.
Bei Nelly ist die Situation etwas schwieriger, weil sie als Angsthund zu uns kam. Yonny ist dagegen wie ein unbeschriebenes Blatt. Mit ihm habe ich vom ersten Moment an mit der Trust Technique® gearbeitet, so dass er vom ersten Tag an weiß, dass bei mir Frieden ist und er sich sicher sein kann. Deshalb war es für mich überhaupt nicht überraschend, dass Yonny gleich beim ersten Versuch meiner Bitte, neben mir her zu laufen, nachkam. Er hatte überhaupt kein Problem mit der Nähe. Nelly musste diese erst schätzen lernen und läuft jetzt sehr gerne neben mir, weil ich sie dann lobe und ihr sage, wie stolz ich auf sie bin, dass sie sich das traut.
Jeder Hund ist anders. Aber wenn wir erkennen, was unser Hund braucht und ihm das geben, wir der Spaziergang an der Leine locker und lässig. – Versprochen!