Ob nun in der Boxen-/Paddockhaltung oder im Offenstall: Immer wieder gibt es unterschiedliche Meinungen wegen der Fütterung der Pferde. Wann sollen sie was bekommen und in welcher Menge? Als Steppentiere sind Pferde auf energiearmes, trockenes Futter eingestellt. Um ihren Bedarf zu decken wandern sie bis zu 20 Stunden täglich und fressen während dieser Zeit. Futterrationierung verursacht Stress, der Fetteinlagerung forciert! Nur, wenn wir diese Bedürfnisse der Pferde berücksichtigen, können sie in der Gefangenschaft gesund bleiben.
Buffet für Pferde 24/7
Pferde und die Steppe
Als Bewohner der Steppe erleben Pferde starke Temperaturschwankungen. Diese wirken sich natürlich auch auf die Vegetation aus. Brennender Sonne, Wind und Kälte können nur robuste Pflanzen widerstehen. Selten findet man Bäume, Gräser überwiegen – je nach Steppenart. Während es im Winter bitterkalt werden kann, herrschen im Sommer hohe Temperaturen. Wasser ist rar. Lediglich im Frühjahr nach der Schneeschmelze steht es der Pflanzen- und Tierwelt ergiebiger zur Verfügung. Während dieser Zeit sprießen das Gras und die Kräuter. Teilweise gibt es richtige Blütenteppiche. Während dieser Zeit tut Flora alles, um die Arten überleben zu lassen. Während einer relativ kurzen Zeitspanne sprießen die Pflanzen, bilden Samen und verbreiten diese. Danach wird alle Energie in die unterirdischen Speichermöglichkeiten der Pflanzen zurückgeholt – beispielsweise Zwiebeln und Wurzeln – um bereit zu sein für den Beginn des nächsten Zyklus‘.
Diesem Diktat müssen sich wohl oder übel auch die Pferde unterwerfen: Im Frühjahr können sie ihre im Winter aufgebrauchten Fettreserven mit üppigem Grün auffüllen. Bereits nach wenigen Wochen ist Schmalhans wieder Küchenchef. Dann bleiben ihnen nur die oberirdischen Reste der Gräser, die sich vertrocknet im Wind wiegen oder vom starken Wind an den Boden gedrückt werden. Während des Winters scharren sich die Pferde die vertrockneten Halme unter dem Schnee hervor.
Pferde auf die Weide?
In Deutschland ist von Steppe weit und breit keine Spur. Trotzdem leben hier Pferde – und nicht wenige! Damit es für uns Menschen bequemer ist, sie zu versorgen, sperren wir sie in Boxen. Jedes Pferd bekommt dann seine Portion vorgelegt – meistens am Morgen und am Abend – so dass wir sicherstellen können, dass rangniedrige Tiere nicht verhungern. Vom 1. Mai bis Oktober finden wir die glücklicheren von ihnen auf üppigen Weiden. Hier muss sich der Mensch dann nicht mal mehr um das Futter kümmern, sondern nur mal nach dem Rechten schauen. Die Pferde können also während dieser Monate tatsächlich 24/7 fressen. Alles gut? Nein! Du hast den Fehler sicherlich schon gefunden: In der Steppe steht frisches Grün nur kurze Zeit zur Verfügung. Außerdem ist es viel energieärmer als das Gras der Weiden, die auf den fruchtbaren Böden in Deutschland zu finden sind. Das Pferd ist weder auf spärliche Bewegung noch hochenergetisches Futter ausgerichtet. Was können wir da tun?
Heu aus dem 1. Schnitt
Sagt ein Kind zum anderen Lies‘ mal: „Geschnittenes Gras. Geschnittenes Gras. Geschnittenes Gras …“ Sagt das andere Kind: „Heu.“ Heu ist nichts anderes, als getrocknetes Gras – soweit sind wir uns wohl einig. Da das Gras – sowohl in der Steppe, als auch bei uns zu Hause – erst vertrocknet, wenn der größte Teil seiner Energie in die Samen gewandert ist, befindet sich in den Stängeln nicht viel Verwertbares mehr (der Rest ist ja bereits unter der Erde im Reservoire). Deshalb brauchen wir für unsere Pferde das Heu aus dem 1. Schnitt, denn dieser wird nach dem Versamen gemacht. Für Kühe ist das unerheblich. Die brauchen viel Energie, um Milch zu produzieren. Deshalb muss man beim Heukauf genau darauf achten, was einem vorgelegt wird. Bestehe auf eine gute Qualität, in der sich verschiedene magere Gräser und auch Kräuter finden. Falls das mit den Kräutern nicht zu realisieren ist, fütterst du die eben zu. Das ist kein Problem. Die Pferde fressen nur, was sie brauchen – und so viel sie brauchen – aber dazu gleich mehr.
Fazit: Wir brauchen für unsere Pferde Heu aus dem 1. Schnitt.
Pferde brauchen jede Menge Heu
Hast du auch schon mal gehört: „Die Pferde brauchen nicht so viel Heu. Sonst werden sie dick.“ Quatsch! Von energiearmen Heu – also 1. Schnitt – werden Pferde nicht dick. Das ist ihre natürliche Nahrung. Da sie so wenig Energie hat, muss sie den Pferden auch rund um die Uhr zur Verfügung stehen, damit sie jederzeit fressen können. In der Natur wandern die Pferde schließlich bis zu zwanzig Stunden am Tag und fressen nebenbei. Nachdem wir auf den SEEMOORHOF gezogen sind – und unsere Pferde mit uns – haben wir es gewagt, ihnen auf ihrem Paddocktrail 24/7 Wasser und Heu zur Verfügung zu stellen. In der ersten Woche haben wir befürchtet, dass sie uns die Haare vom Kopf fressen. Aber, da Pferde als Fluchttiere sehr viel schneller lernen und sich auf neue Situationen einstellen können, als wir Menschen, haben sie nach ein paar Tagen begriffen, dass Hamstern nicht mehr nötig ist und einfach mit dem Fressen aufgehört, nachdem sie satt waren. Danach sind sie gemeinsam zur Wasserstelle gewandert – haben hier und da noch ein Kräutlein vom Wegesrand gepflückt – und sich danach dem schönen Nichtstun hingegeben. Pferde lieben es, einfach mal dösend in der Sonne zu stehen oder in die Ferne zu schauen. Manchmal spielen sie oder galoppieren von Jetzt auf Gleich mit donnernden Hufen über den Trail.
Fazit: Pferde hören auf zu fressen, wenn sie satt sind und widmen sich dann anderen Tätigkeiten.
Was haben Kamele damit zu tun?
Du hast vielleicht schon mal Fotos mit Kamelen gesehen: manche haben prächtige, stramme Höcker, bei anderen sind sie abgeknickt und machen einen eher müden Eindruck. Hierbei handelt es sich nicht um verschiedene Kamelarten, sondern einfach um Tiere, die prall gefüllte Fettreservoire haben oder kurz vor einem leeren Keller stehen. Kamele speichern in den Höckern Fett, dass sie bei Wasserknappheit wieder in Wasser umwandeln können. (Das ist übrigens bei uns Menschen nicht anders. Wir sammeln das Fett auf der Hüfte. Du hast sicherlich auch schon einmal gehört, dass ein Gewichtsverlust zuerst Verlust von Wasser bedeutet. Das wird nämlich auch bei uns Menschen im Fett gespeichert.)
Wie kommt das Wasser in die Kamelhöcker?
Wenn ein Kamel Durst hat, dann trinkt es. Einfache Sache. Trotzdem schwillt der Höcker nicht an. Erst, wenn das Tier Angst hat zu sterben – weil es kein Wasser bekommt – werden Stresshormone wie Kortison freigesetzt, und das Hamstern beginnt. Das Kortison kann den Körper also dazu bringen, Wasser in Fett umzuwandeln für die schlechten Zeiten. Die Kamelbesitzer machen sich das zu Nutze. Sie lassen die Tiere vor einer längeren Reise durch die Wüste dursten, so dass Kortison ausgestoßen wird. Wenn sie die Tiere dann tränken, geben sie ihnen große Mengen an Wasser. Damit löschen die Kamele nicht nur ihren Durst, sondern legen auch Reserven für die Reise an. So machen sie sich mit prallen Höckern auf den Weg. – Das Prinzip greift auch bei Menschen und Pferden, so dass es total sinnlos ist, Nahrung zu rationieren, um Fett zu verlieren. Die gute Nachricht: Ebenso wie die Pferde können auch wir Menschen wieder lernen, nur so viel zu uns zu nehmen, wie wir wirklich brauchen – wir leiden hier in Deutschland keine Not.
Fazit: Nahrungsverknappung verursacht Stress, der Fettbildung forciert, um das Wesen am Leben zu halten.