Läuft hinten alles rund?
Im Beitrag: „Rund oder oval – Pferdehufe haben unterschiedliche Formen“ haben wir ja bereits geklärt, dass die Vorder- und Hinterhufe unterschiedliche Aufgaben haben und sich deshalb im Aussehen – also in ihrer äußeren Form – unterscheiden. Wir haben gelernt, dass es wichtig ist, bei der Hufbearbeitung die unterschiedlichen Parameter für „vorne“ und „hinten“ zu beachten, damit die Hufe das Pferd optimal in seiner Bewegung unterstützen. Jetzt werden wir einen Blick auf den Körper werfen.
Der Schub für die Vorwärtsbewegung wird beim Pferd in der Hinterhand entwickelt. Das gelingt durch ein Zusammenspiel verschiedener Komponenten. Außer den Hufen sind – wenn wir das jetzt erstmal ganz isoliert betrachten – auch noch die Muskeln der hinteren Gliedmaßen, ihre Knochen, Sehnen, Faszien usw. beteiligt. Damit haben wir jetzt erstmal ganz grob die wichtigsten „Bauteile“ benannt. Die müssen jetzt so zusammengesetzt werden, dass sie als Motor des Pferdes fungieren können.
Schauen wir uns das doch mal in einem praktischen Beispiel an. Ich hatte als Kind einen Metallbaukasten, mit dem ich viel Spaß hatte. Darin waren verschiedene Metallschienen, Schrauben und Muttern, Zahnräder, Gummibänder und diverser Kleinkram. Dieses Prinzip finden wir auch in unseren Körpern und denen unserer Tiere: Viele verschiedene Einzelteile bilden ein Ganzes. Zurück zum Baukasten. Ich wollte einen Kran bauen. Dafür musste ich erstmal aus Schienen und Kleinteilen einen hohen Korpus zusammenschrauben, an dem oben der Ausleger montiert werden konnte. Das Gerüst war leicht herzustellen. Es entspricht unserem Skelett – ohne Bänder, Sehnen usw. Ich hatte also einen Turm, an dem oben ein Arm befestigt war. Damit konnte ich noch keine Lasten anheben. Ich brauchte einen Haken, ein Seil und verschiedene Umlenkrollen und Lager. Nachdem ich das alles eingebaut hatte, konnte ich mit meinem Kran etwas anheben, was ich am Haken befestigt hatte. Diese Last konnte ich nicht nur hochziehen, sondern auch noch an eine andere Position – beispielsweise seitlich vom Kran – bringen und dort absetzen.
Genauso funktionieren unsere Körper – die verschiedenen Einzelteile der Hinterhand wurden zusammengesetzt und in wirkungsvolle Funktionsgruppen gegliedert. So gibt es beispielsweise eine Verbindung über zwei Gelenke – die sogenannte Spannsägenkonstruktion – die mit hoher Effizienz die in den Muskeln entwickelte Energie in den Boden bringt und so dem Pferd einen enormen Schub nach vorne ermöglicht. Aber nicht nur die Hinterhand ist an der Vorwärtsbewegung beteiligt, sondern der gesamte Pferdekörper und deshalb schauen wir uns den mal an.
Unsere HufkursteilnehmerInnen wissen, dass wir immer das ganze Pferd anschaue müssen, wenn wir die Ursache für ein Problem finden wollen. Ein wichtiger Punkt dabei sind Symmetrien, die wir prüfen. Einfach, aber von großer Wirkung, ist es, wenn wir das Pferd von der Seite in geschlossener Position anschauen. Intuitiv wissen die meisten von uns, ob etwas harmonisch ist oder nicht. Dem wollen wir mal nachgehen. Ich sehe also ein Pferd und habe das Gefühl, dass irgendwas „nicht stimmt“. Es gibt einen einfachen Trick, um eine Unsymmetrie zu erkennen.
Du stehst seitlich vom Pferd. Der Kopf des Pferdes zeigt zu deiner linken Seite. Dann verdeckst du mit deiner linken Hand die vordere Hälfte des Pferdes, so dass du nur die hintere Hälfte sehen kannst. Was siehst du da? Sind die Muskeln rund und harmonisch ausgeprägt oder sehen ist etwas schwach aus? Präge dir das Bild gut ein. Jetzt tauscht du und verdeckst mit der rechten Hand die hintere Hälfte des Pferdes. Wie sieht es vorne aus? Dieser Moment ist meist ein Schlüsselerlebnis für die PferdebesitzerInnen. Denn schon beim ersten Blick wird ihnen intuitiv klar, ob die beiden Hälften „zusammenpassen“. Beide Hälften sollten sich ergänzen. Wenn das nicht so ist, muss man nach der Ursache suchen.
Ein häufiges Bild sind die „Preisboxer“. Dabei haben die Pferde eine stark ausgeprägte Brustmuskulatur und sind hinten eher schwach bemuskelt. In diesem Fall liegt die Hauptarbeit in der Bewegung und auch beim Stehen auf der Vorhand, die dafür aber gar nicht gebaut ist. Sie hat ja vor allem eine stützende Funktion in der Vorwärtsbewegung. Der Motor kann also seine PS nicht auf die Straße bringen. Das ist so, als wenn ein Auto mit Heckantrieb mit der hinteren Achse „in der Luft“ hängt, also keine gute Haftung zur Straße hat. Hier lohnt sich also auf jeden Fall ein Blick auf die Hufparameter. Meist kann man das Problem mit ein paar Schnitten beheben, das Pferd kann dann wieder sehr gut unter den Schwerpunkt treten und sein ganzes Potential nutzen. Nach und nach wird sich die Muskulatur verändern, weil ja die Beanspruchung verändert wurde. Nach ein paar Tagen kann man das häufig schon gut erkennen, dass sich der Körper im Umbau befindet.
Wie sieht es bei deinem Pferd aus? Ist es harmonisch oder zweigeteilt?